Chronisches Erschöpfungssyndrom ME CFS – zahlt BU-Versicherung als anerkannte Krankheit?
Mancher behauptet scherzhaft von sich, dass sein Winterschlaf nahtlos in die Frühjahrsmüdigkeit überginge. Mit dem Chronischen Erschöpfungssyndrom (CES), auch bekannt unter den Bezeichnungen Chronisches Müdigkeitssyndrom (CMS), international chronic fatigue syndrome (CFS) oder Myalgische Enzephalomyelitis (ME) hat das aber nichts zu tun.
Chronisches Erschöpfungssyndrom oder Myalgische Enzephalomyelitis ME CFS
Inhaltsverzeichnis
ME/CFS ist eine sehr ernste Krankheit, die weltweit je nach zugrunde gelegter Definition etwa ein bis drei Prozent der Menschen betrifft. Für Deutschland gibt es keine Studie, das Bündnis ME/CFS, 2009 von Patienten und Vertretern verschiedener Patienten-Vereinigungen gegründet, schätzt die Zahl schwer betroffener Menschen ohne angemessene medizinische Versorgung auf etwa 300.000.
Ursachen für Chronische Müdigkeitssyndrom (CMS) weitgehend ungeklärt
ME/CFS ist eine Fehlregulation, die sowohl Nerven als auch Immunsystem und Hormone betreffen kann. Die Ursachen der Störung sind unbekannt, deshalb kann man auch nur die Auswirkungen behandeln und abmildern. Leitsymptom ist ein Müdigkeit oder Erschöpfung vor allem nach körperlichen Anstrengungen, die über das normale Maß weit hinausgeht.
Symptome der ME/CFS
Auch intellektuelle und psycho-soziale Belastungen können die krankhaften Reaktionen hervorrufen. Niedrige Herzfrequenz und schlechte Versorgung der Muskeln mit Sauerstoff sind objektiv messbar. Subjektiv liegt oft auch eine höhere Schmerzempfindlichkeit vor. Häufig sind verlangsamtes Denken, Konzentrationsschwierigkeiten und Wortfindungsstörungen bis hin zu Verwirrung und Desorientierung.
Alles in allem ist das Krankheitsbild aber keineswegs einheitlich: Im Immunsystem sind beispielsweise sowohl entzündungshemmende als auch entzündungsfördernde Reaktionen zu beobachten.
Ärzte sind für die Diagnosevon ME/CFS nicht ausgebildet
Als wäre die Krankheit an sich noch nicht schlimm genug, beginnt für die Erkrankten oft auch noch eine Odyssee von Arzt zu Arzt, von Krankenhaus zu Krankenhaus. Es gibt einige objektive Tests und auch einen Kriterienkatalog für die Diagnose des chronischen Erschöpfungssyndroms.
Dieser wurde 2015 von der US-amerikanischen National Academy of Medicine zu einem einfach anzuwendenden Diagnose-Schema verkürzt. Aber rund 80 % der Patienten haben trotzdem Schwierigkeiten, einen für ME/CFS umfassend ausgebildeten Arzt zu finden.
Pflegebedürftigbeit bei Patienten mit ME/CFS vierten Grades
Patienten mit ME/CFS vierten Grades sind pflegebedürftig und ans Bett gefesselt. Obwohl die Schwere des Krankheitsverlaufs mit Multipler Sklerose oder AIDS durchaus vergleichbar sein kann, wird sie in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Besonders schlimm ist, dass ME/CFS von unwissenden Ärzten zunächst als harmlose psychische Störung fehlinterpretiert wird und auch später, im fortgeschrittenen Stadium, als psychiatrische oder psychosomatische Krankheit eingeordnet wird.
Die Weltgesundheitsorganisation führt ME/CFS dagegen in ihrer anerkannten Klassifikation (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD-10) unter der Ziffer G93.3, also eindeutig bei den neurologischen Erkrankungen.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Leistungsantrag bei ME/CFS erfolgreich?
Der wirtschaftliche Schaden durch ME/CFS ist gewaltig. Eine Schätzung aus den USA aus den Jahren 2004/2005 spricht von 51 Milliarden US-Dollar jährlich. Wegen der unsicheren Diagnose sind nicht nur Ärzte, sondern auch die Sachbearbeiter der Versicherungen überfordert: Liegt Berufsunfähigkeit nach den Bedingungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung vor? Wird dem Leistungsantrag auf BU-Rente stattgegeben?
Auf einen Denkfehler sollten die Kunden nicht hereinfallen: Die exakte Diagnose ist für die Anerkennung einer Leistungspflicht in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nötig. Es reicht, dass ein Arzt die krankheitsbedingten Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit feststellt. Die Ursache ist dann letztendlich unwichtig.
Notfalls weiteres Gutachten anfordern
Wenn die berufsunfähigkeitsversicherung die Untersuchung durch einen eigenen Gutachter fordert, ist das in Ordnung. Der Versicherte ist dazu üblicherweise ohnehin verpflichtet, wenn er eine BU-Rente beziehen möchte. Sinnvoll ist es, dass der Gutachter Neurologe oder Neuropsychologe ist. Darauf hat der Kunde aber nur sehr begrenzt Einfluss.
Das Gutachten des Versicherers muss nicht das einzige sein. Spätestens wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Leistung kommt, wird das Gericht ohnehin ein eigenes Prozessgutachten in Auftrag geben. Hilfe können Betroffene unter anderem vom Bündnis ME/CFS erwarten.
Das Bündnis setzt sich unter anderem für eine klare Abgrenzung der Erkrankung ME/CFS von Erschöpfungszuständen, Burn-out oder unspezifisch beschriebener chronischer Müdigkeit ein. Das sollte sich auch in den Leistungsabteilungen der Versicherer herumsprechen.